Dienstag, 7. Juni 2011

Berechnen, bezahlen, bilanzieren

Shared Services bieten sich für die Bereiche Einkauf und Finance an

Bereits seit Jahren wird in Unternehmen nach Optionen gesucht, Unterstützungsprozesse die nicht der primären Wertschöpfung dienen, effizienter durchzuführen. Großes Potential bietet dabei die Rechnungseingangsbearbeitung.

Die Unternehmen stehen vor der Wahl zwischen der Rechnungseingangs-bearbeitung innerhalb eines Financial Shared Service Centers oder unter Einbeziehung externer Dienstleister im Rahmen einer Outsourcing-Lösung. In einem Shared Service Center werden innerhalb eines Konzern Prozesse an zentraler Stelle gebündelt, die bisher die Niederlassungen und Tochtergesellschaften vor Ort selbst durchgeführt haben. Die Motive für die Einführung eines solchen Centers decken sich für gewöhnlich mit denen für Outsourcing: Kosteneinsparungen durch Prozess-Standardisierung und Personalabbau, Entlastung der Standort-Verwaltungen, Konzentration auf die Kernkompetenzen, höhere Spezialisierung des Dienstleisters auf die von ihm erbrachten Services.

Der entscheidende Unterschied zum Outsourcing: Die Unternehmen betreiben diese Center selbst. Sie bleiben damit von externen Dienstleistern unabhängig und riskieren keinen Know-how- und Transparenzverlust. Das Rechnungswesen zählt zu den häufigsten, auf diese Art verlagerten Aufgaben. Und so gewinnen Financial Shared Service Center, auch FSSC genannt, im Zuge des permanent steigenden Kostendrucks auf Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Insbesondere im Finanzbereich werden FSSC bereits seit Jahren in vielen Unternehmen als Mittel zur Steigerung von Effektivität und Effizienz eingesetzt. Lag der Fokus dabei lange Zeit auf der Neuorganisation der Buchhaltungsprozesse, erfolgt nun zunehmend die schrittweise Ausweitung von FSSC-Ansätzen auf den gesamten Finanzbereich. Der gesamtheitliche Finanzprozess ist, was zählt.

Den Überblick gewinnen - ganzheitlich denken

Zunächst muss eine Einordnung des Rechnungsprozesses in die Financial Supply Chain und damit in den Gesamtkontext von Unternehmen vorgenommen werden. Besonderer Fokus liegt dabei auf den Rechnungsempfängerprozessen, die sich oftmals komplex darstellen und dadurch vermehrt Ansatzpunkte zur Optimierung offenbaren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf realisierbaren Workflowprozessen, um die trotz Automatisierungsmöglichkeiten in der Rechnungseingangsbearbeitung verbleibenden manuellen Tätigkeiten möglichst effizient abwickeln zu können. Dabei ist eine Gegenüberstellung von Nutzen und Risiken bei deren Realisation im Vordergrund von Nöten. Denn bei der Bündelung und Industrialisierung von Controllingprozessen kommt es weit mehr an als beim klassischen Accounting, wie Debitoren- oder Kreditorenbuchhaltung. Es kommt auf die inhaltliche Ausgestaltung und das Gesamtverständnis des Finanzbereiches an. Nicht nur Automatisierungen und Einsparungspotentiale spielen hier eine Rolle, sondern insbesondere die Ausrichtung der Finanzprozesse und -organisation an der Strategie des Unternehmens.

Fragen und Antworten

Unternehmen sollten sich folgender Fragestellungen bewusst sein. Nachhaltigkeit ist immer das Ziel, wenn die Effektivität und Effizienz der Finazorganisation gesteigert werden soll. Und so stellt sich ganz einfach zu Beginn die Frage nach der Organisation der Steuerungsphilosophie des Unternehmens und der ihr zugrunde liegenden Finanzprozesses. Wie sieht diese überhaupt aus? Wie splittet ein Unternehmen die Aktivitäten der Finanzprozesse in transaktionale und funktionale Tätigkeiten? Sind diese Fragen geklärt und Antworten definiert, stellt sich die Frage nach der Art und Weise wie die notwendigen Änderungen und Anpassungen der Finance Transformation durchgeführt werden sollen. Nicht außer Acht darf dabei die IT gelassen werden und die Auswirkungen, die ein Shared Service darauf hat. Schließlich gilt es zu klären, wie das Datenmodell aufgebaut werden soll, so dass durchgängige Prozesse überhaupt erst möglich werden.

Richtig umsetzen, Ziele erreichen

So wundert es nicht, dass Unternehmen ihre Rechnungswesen-Prozesse am häufigsten an interne Shared Service Center auslagern. Die zentrale Abwicklung von Zahlungsverkehr oder Mahnwesen für alle Niederlassungen und Tochtergesellschaften bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich. Allerdings dürfen dabei die Bedürfnisse und Kompetenzen der dezentralen Standorte nicht vergessen werden.

Ein Vorteil, der auf der Hand liegt ist beispielsweise der automatisierte Zahlungsverkehr. Wickelt ein Unternehmen diesen in einem Shared Service Center ab, muss nicht mehr jede Rechnung einzeln bezahlt werden. Stattdessen können die Einzelrechnungen in Sammelzahlungen gebündelt werden. Dadurch lassen sich Prozess- und Überweisungskosten einsparen. Darüber hinaus wird eine Zahlungsdisposition über den gesamten Konzern möglich. Dieser erhält einen Überblick, welche offenen Posten zu bezahlen sind, für welche offenen Posten man Skonto ausnutzen kann oder wo sich Zahlungen beispielsweise zurückstellen lassen. Ebenso lassen sich die Zahlungseingänge überwachen und auf ein zentrales Bankkonto leiten. Das Unternehmen kann Liquiditätsengpässe einzelner Niederlassungen und Standorte intern ausgleichen und damit Zinsen sparen.

Das Zusammenspiel zwischen der Zentrale und den Niederlassungen kann mit einer Rechnungswesen-Software in der Regel gut organisiert werden. So lässt sich der Transfer und Ausgleich von offenen Posten zwischen den einzelnen Unternehmen und der Zentrale automatisieren.

Mahnen will gemanagt sein

Das Shared Service Center kann wirtschaftlich größere Volumina an Mahnungen für den gesamten Konzern abwickeln. Dabei erhält der Konzern eine zentrale Sicht auf Debitoren, die mit mehreren Gesellschaften Geschäfte machen. Allerdings ist gerade bei der Zentralisierung des Mahnmanagements Vorsicht geboten. Das Zusammenwirken zwischen den Niederlassungen und der Zentrale muss gut organisiert sein und sollte nicht ohne Rückkopplung funktionieren.

Ein ganz typisches Beispiel, das fast jeder auch aus dem privaten Alltag kennt: Ein Debitor hat gerade dem Vertriebsleiter erklärt, warum er die offene Rechnung noch nicht bezahlt hat und einen neuen Zahlungstermin vereinbart. Am nächsten Tag erhält er dennoch eine Mahnung von der Zentrale, weil diese nichts von der Vereinbarung wusste. Ein Versehen, das sich negativ auf die Geschäftsbeziehung auswirken kann.

Dem kann ganz einfach Abhilfe geschaffen werden: Das zentrale Mahnmanagement erstellt Übersichten über die aktuellen Mahnungen, legt diese aber den Geschäftsführern oder sonstigen Verantwortlichen vor dem Versand zur Freigabe vor.

Abwanderung von Know-how verhindern
Wenn sich ein Konzern entschlossen hat, die gesamte Buchhaltung in ein Shared Service Center zu verlegen, werden meist die Buchhalter in die Zentrale abgezogen. Damit wandert das Buchhaltungs-Know-how an das Shared Service Center. Oft geht dabei aber auch firmeninternes Wissen verloren, das über die reine Buchhaltung hinausgeht. Das will natürlich niemand. Gerade für kleinere Unternehmen kann das problematisch werden. Denn die Buchhalter sind meist auch für zusätzliche Aufgaben, wie etwa Vertragsmanagement, Einkauf oder Bestellwesen zuständig. Damit wird der im Grunde unerwünschte Wissenstransfer zum oft unterschätzten Problem. Das Unternehmen sollte sich deshalb über die konkrete Aufgabenteilung im Klaren sein. Hier ist es ratsam, Arbeitsprofile zu erstellen, in denen genau festgehalten ist, welche Aufgaben die Buchhalter vor Ort tatsächlich ausführen.

Denn eins ist klar: Shared Service Center gehören nicht umsonst seit einigen Jahren zu den wichtigsten Modellen, um insbesondere die Service-Prozesse im Finanz-, Personal- und IT-Bereich effizienter und damit kostengünstiger zu gestalten. Großkonzerne wie Siemens und Lufthansa haben bereits erfolgreich Shared Services in Deutschland implementiert. Auch der gehobene Mittelstand zeigt großes Interesse am Einsatz von Shared Services (Lesen Sie auch mehr dazu hier). Allerdings scheint sich dieses Konzept nur bedingt für den Mittelstand eignen und es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Es gilt für die Unternehmen, diese Voraussetzungen herauszuarbeiten und ein Entscheidungsmodell zu entwickeln, welches auf der einen Seite die Effizienzverbesserungen durch Shared Service Center empirisch ermittelt sowie auf der anderen Seite die Kriterien für den Einsatz von Shared Services abbildet. Nur so kann eine Aussage über den Einsatz von Shared Services getroffen und eine Prognose über die Entwicklungen gemacht werden, so dass die Chancen und Potentiale, die Shared Services Center bieten, optimal genutzt werden.



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Shared Services Woche 2011 
21. - 24. November 2011, Estrel Hotel in Berlin.

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