Montag, 16. Mai 2011

Ziele, Strategien und Aufgaben des Produktionsmanagement
Ein Beitrag von: Rainer Kämpf

Der Begriff "Produktion" wird in der Praxis und in der Literatur verschieden verwendet. Nach ihrem Begriffsumfang lassen sich drei Bedeutungen unterscheiden:
  • Produktion als beliebige Kombination von Produktionsfaktoren. Sie umfasst somit alle betrieblichen Funktionen.
  • Produktion als betriebliche Leistungserstellung.
  • Produktion als Synonym für Fertigung.
Generell hat sich die zweite Bedeutung des Begriffs durchgesetzt. Entsprechend dem betrieblichen Wertefluß sind darin unter anderem die Auftragsabwicklung, Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Absatz enthalten.

Das Folgende bezieht sich im wesentlichen auf die industrielle Produktion. Zum einen handelt es sich bei der industriellen Produktion um eine Sachgüterproduktion, die auf ingenieur- und betriebswissenschaftlichen Planungen beruht. Zum anderen geht die Produktion mit einer Konzentration der Produktionsfaktoren bzw. Ressourcen einher.

Die Fähigkeit zur Dienstleistung hingegen wird für Industrieunternehmen wegen der informations- und produktionstechnischen Entwicklungen der letzten Jahre sowie wegen des steigenden Anteils interner und externer Dienstleistungen am betrieblichen Leistungsprozeß immer wichtiger. Im industriellen Anlagenbau entfallen in vielen Fallen mehr als 50% der Herstellkosten auf interne und externe Dienstleistungen wie Konstruktion, Entwicklung, Installation, Überwachung und Instandhaltung. So lassen sich die meisten Produktions-unternehmen als integrierte Produktions- und Dienstleistungsunternehmen auffassen.
Aufgrund divergierender Auffassungen über den Inhalt der Produktion und die damit zusammenhängenden Führungsaufgaben existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Begriffs "Produktionsmanagement". So wird vielerorts unter Produktionsmanagement lediglich die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) verstanden. Ohne auf die verschiedenen Definitionen des Produktionsmanagement und ihrer Abgrenzung zur Produktionswirtschaft, zur Produktionstheorie oder zur Produktionslehre im einzelnen einzugehen, wird hier ein wesentlich weiter gefaßter Begriff zugrunde gelegt.
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Moderne Produktionsunternehmen sind komplexe, nur noch schwer überschaubare Wirkungsgefüge. Insbesondere bei großen Unternehmen mit einem breiten und tiefen Erzeugnisspektrum, unterschiedlichen Produktionstypen und verteilten Standorten erfordert die hohe Anzahl unterschiedlicher Betrachtungsobjekte und deren Beziehungen einen systemorientierten Gestaltungsansatz. Der Vorteil eines Systemansatzes besteht darin, daß durch die Definition von Subsystemen und Systemelementen die Komplexität des Gesamtsystems Unternehmen reduziert wird, ohne daß das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Systemelementen vernachlässigt wird. Basierend auf diesem Systemansatz gehören somit zu den Funktionen des Produktionsmanagements die Lenkung, Gestaltung und Entwicklung von Produktionsunternehmen, wobei neuere Sichtweisen insbesondere die Systemgestaltung und -entwicklung als Managementfunktionen.

Die steigenden Anforderungen im besonderen an das Management produzierender Unternehmen erfordern einen ganzheitlichen Management-Ansatz. Das St. Galler Management-Konzept, das auf dem dargestellten Systemansatz von Ulrich beruht, unterscheidet zwischen den drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements. Während normatives und strategisches Management im wesentlichen Gestaltungs- und Entwicklungsfunktionen haben, kommt dem operativen Management schwerpunktmäßig die Lenkungsfunktion zu. Die drei Managementebenen werden in vertikaler Betrachtungsweise unter Aktivitäts-, Struktur- und Verhaltensaspekten gegliedert, so daß sich der Bezugsrahmen des St. Galler Management-Konzepts in neun Betrachtungsfelder gliedert.

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Die systemtheoretische Ausrichtung des St. Gal1er Management-Konzepts erlaubt die rekursive Übertragung des generellen Management-Ansatzes auf einzelne Subsysteme, wie z.B. Unternehmenstypen, -bereiche oder -funktionen und damit auch auf Produktionsunternehmen und Teile davon. Das normative Management eines Produktionsunternehmens unterscheidet sich nicht wesentlich von dem anderer Unternehmen. Es werden die generellen Unternehmensziele, Prinzipien, Normen sowie die Unternehmenskultur festgelegt, die die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen sollen. Das übergeordnete Unternehmensziel eines produzierenden Betriebes ist typischerweise die Existenzsicherung. Generelle Ziele können sein:
  • Ausgewogene Erfüllung der Bedürfnisse der verschiedenen Anspruchsgruppen (Partner z.B. Kunden, Lieferanten, Anteilseigner und Mitarbeiter),
  • Gewinnung oder Festigung einer bedeutenden Position in:
  • einer Branche,
  • einer Technologie (z.B. Lasertechnologie) oder
  • bezüglich eines Werkstoffes (z.B. Spezialglas),
  • Konzentration auf die Prozesse größter Wertschöpfung unabhängig von den traditionellen Stärken des Unternehmens bzw. der Branche zwecks Erhaltung der Unternehmensstandorte und der Unternehmensgröße.
Auf der Ebene des strategischen Produktionsmanagements, dessen Hauptaufgabe der Aufbau, die Nutzung und die Pflege von strategischen Erfolgspotentialen ist, wird die Unternehmensmission in Programme zur Gestaltung von Leistungssystemen und Geschäftsprozessen umgesetzt. Die Umsetzung der Programme wird unterstützt durch geeignete Organisationsstrukturen (Aufbauorganisation, Projektkonstitutionen, usw.) sowie durch Produktionsmanagementsysteme (PPS, Controllingsysteme, usw.). Durch die Förderung des Zeit-, Qualitäts- und Kostenbewußtseins sind gleichzeitig die verhaltensseitigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung der Programme zu schaffen. Dem operativen Management kommt die Aufgabe zu, die Vorgaben des strategischen Managements, z.B. durch Planung und Steuerung von Entwicklungs- oder Produktionsaufträgen, umzusetzen.

Auch die Aufgaben des Gestaltens und Lenkens lassen sich den drei Managementebenen zuordnen. Die Gestaltungsfunktion wird vom normativen und strategischen Management durch Aufbau, Pflege und Ausbeutung von Erfolgspotentialen geleistet.
Erfolgspotentiale sind produkt- und marktspezifische Voraussetzungen für die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen, Sie sind Erfahrungen mit Technologien (z.B. Motorenbau oder Chipfertigung), mit Märkten (z.B. Entwicklung neuer Märkte oder Aufbau leistungsfähiger Vertriebsorganisationen) oder mit sozialen Prozessen (z.B. Kooperationsfähigkeit).
Die Lenkungsfunktion ist Aufgabe des operativen Produktionsmanagements, d.h., die normativen und strategischen Vorgaben werden in Operationen umgesetzt.

Das operative Produktionsmanagement umfasst den Vollzug der leistungs-, finanz- und informationswirtschaftlichen Prozesse eines produzierenden Unternehmens. Dazu gehören hauptsächlich die Aktivitäten zur Planung und Steuerung der Geschäftsprozesse. Hinzu kommt die Förderung der Effektivität des Mitarbeiterverhaltens im sozialen Bezug. Diese drückt sich vor allem in der Kooperation und in der Kommunikation von sozial relevanten lnhalten aus.
Die Instrumente (Methoden und Hilfsmittel) der Planung und Steuerung eines produzierenen Unternehmens determinieren maßgeblich die Struktur des operativen Produktionsmanagements. Wegen der großen Bedeutung dieser Instrumente für die Effektivität und Effizienz eines produzierenden Unternehmens ist diesem Aspekt im folgenden breiter Raum gewidmet.

Das strategische Produktionsmanagement umfaßt produkt- und prozesszentrierte Aktivitäten. Die produktseitigen Aktivitäten bestehen aus der Produktprogramm- und Beschaffungs-gestaltung sowie der Gestaltung von Leistungssystemen. Die prozessseitigen Aktivitäten bestehen aus der Gestaltung der Geschäftsprozesse und der Produktionsprogramm-gestaltung. Diese sind von den Aktivitäten des operativen Produktionsmanagement zu unterscheiden, wie z.B. das Planen und Steuern der Geschäftsprozesse oder die Produktplanung und -entwicklung. Trotz der hier getroffenen Aufteilung in die Aktivitäten des strategischen und des operativen Produktionsmanagements, ist von Interdependenzen zwischen den Managementebenen auszugehen.
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