Donnerstag, 16. Dezember 2010

Die Suche nach der Superbatterie

Ein sehr interessanter Artikel im Handelsblatt:

MÜNCHEN/DÜSSELDORF.
Die deutsche Industrie muss über den Aufbau einer eigenen Batteriefertigung für Elektroautos entscheiden. Bisher dominieren die Asiaten den Markt für Lithium-Ionen-Akkus, bei denen es sich um die entscheidenden Schlüsselkomponenten der E-Mobilität handelt.

Es war eine heikle Mission: Stanislaw Tillich, der Ministerpräsident von Sachsen, wandte sich im Namen eines Dritten mit einer Bitte an den Autohersteller Daimler und den Mischkonzern Evonik. Vertreter eines großen Automobilherstellers wollten die gemeinsame Batterie-Produktion der beiden Unternehmen im sächsischen Kamenz besichtigen – um eine Kooperation, eventuell sogar eine Beteiligung auszuloten.

Es ist kein alltäglicher Vorgang, dass ein Manager die Produktionsanlagen eines Konkurrenten inspizieren will, zumal es sich bei der Produktion von Batterien um eine Zukunftstechnik handelt. Denn nicht der Motor, sondern die stromspendenden Zellen sind die Schlüsselkomponenten in einem Elektroauto. Sie werden letztendlich über die Zukunft der E-Mobilität entscheiden.

Doch auch die Regierung hatte ein Interesse an dem Gespräch – denn industriepolitisch, das war Tillich klar, hätte es durchaus Sinn ergeben, ein großes deutsches Konsortium zu gründen, das die Defizite in der Entwicklung dieser Technik aufholt.

Doch die Antwort war sowohl aus Stuttgart wie auch aus Essen eindeutig: No way – unter gar keinen Umständen wollte die Daimler-Führung den Konkurrenten in ihr Werk lassen. Oder gar eine Beteiligung einräumen.

All das ist etwa ein Jahr her – doch geändert hat sich nichts an der Kleinstaaterei unter den Herstellern. Dabei ist die Situation verfahren. Die Fertigung von Batteriezellen ist ein Schlüssel für den Einstieg in das Elektrozeitalter, doch Koreaner, Chinesen und Japaner dominieren den Markt für Lithium-Ionen-Akkus. Eine gemeinsame Aufholjagd der deutschen Autoindustrie ist nicht in Sicht – zu sehr belauern sich die Konkurrenten aus Stuttgart, München und Wolfsburg.

Fehlender Kooperationswillen ärgert Berlin
Der mangelnde Korpsgeist der deutschen Autoindustrie stößt in Berlin zunehmend auf Unverständnis. „Wir würden die Produktion von Batterien in Deutschland mit einem wirklich hohen Betrag fördern“, sagt ein hoher Regierungsbeamter, „aber wir wollen das Geld effizient einsetzen – und nicht mit der Gießkanne verteilen.“

Soll heißen: Die Förderung, die Rede ist von einem bis zu dreistelligen Millionenbetrag, gibt es nur, wenn die deutsche Industrie ein schlagkräftiges Konsortium zusammenstellt, das sich um die Entwicklung und Produktion kümmert. Diese Forderung steht bereits ausdrücklich im Zwischenbericht der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NEP). Die Expertenrunde soll im Auftrag der Bundesregierung Vorschläge erarbeiten, um Deutschland bis 2020 in einen „Leitmarkt für Elektromobilität“ zu verwandeln.

Doch von einer gemeinsamen Anstrengung ist die Industrie weit entfernt: Während Daimler und Evonik alleine voranpreschen, setzen BMW und der VW-Konzern auf asiatische Hilfe. VW kooperiert mit Sanyo, BMW mit einem Joint Venture aus Bosch und Samsung. „Wir wollen keine Zellen produzieren, wir wollen das System beherrschen“, heißt es unisono bei BMW und VW. In Wolfsburg und München setzt man darauf, die zugekauften Batteriezellen mit hauseigener Steuerungselektronik zu veredeln. BMW investiert stattdessen hohe Summen in die Entwicklung von Kohlefaser-Karosserien für Elektroautos. Den Aufholprozess in der Zellproduktion will man anderen überlassen.

Das sorgt auch in der Zulieferindustrie für Unverständnis. „Der Antrieb ist das Herzstück des Autos, da darf sich die deutsche Industrie keine Lücke leisten“, sagt Michael Krausa. Der Geschäftsführer des Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen-Technik vertritt 20 Unternehmen der deutschen Chemie- und Elektroindustrie. Die Mitgliedsliste ist prominent besetzt: Neben BASF zählen Evonik, Südchemie und Continental zu dem Verein.

Die Allianz warnt vor einer drohenden Abhängigkeit der deutschen Industrie von asiatischen Batterieproduzenten. Der Verband will gemeinsame Pilotanlagen im „vorwettbewerblichen Bereich“ aufbauen und – mit staatlicher Hilfe – in fünf bis sechs Jahren eine leistungsfähige Batterieproduktion in Deutschland vorweisen. „Es wäre wichtig, wenn die Autohersteller eingebunden würden. Dazu laufen Gespräche“, sagt Krausa.

Den Chemie- und Elektrokonzernen ist aufgegangen, dass sie eine Entwicklung verschlafen haben. Während Deutschland bis weit in die 80er-Jahre führend in der Batterieentwicklung war, stiegen die Firmen bei der Lithium-Ionen-Technik aus. Die neuen Speicher galten als nicht ausgereift, während die Asiaten begannen, diese in Handys, Laptops und später Elektroroller einzubauen. Jetzt ist der Zug fast abgefahren.

Die renommierte Strategieberatung Bain geht davon aus, dass allein in Europa bis 2020 mindestens 20 Milliarden Euro mit Batteriezellen für Elektroautos umgesetzt werden. Investiere die europäische Industrie nicht massiv, werde langfristig „die technologische Eigenständigkeit der europäischen Autoindustrie leiden“. Um mit den Asiaten zu konkurrieren, müssten mindestens fünf Milliarden Euro bis 2015 investiert werden.

Nicht wenige Industrievertreter verweisen bei der anvisierten Aufholjagd auf eine historische Parallele: Bereits in den 80er-Jahren fürchtete die deutsche Industrie eine Abhängigkeit von japanischer Mikroelektronik. In der Folge investierten Daimler und Siemens Milliarden in den Aufbau einer eigenen Halbleiterindustrie. Während Daimler sich mit dem Kauf der AEG verhob, gelang Siemens auch dank üppiger Subventionen der Sprung in die Chiptechnologie. Aus der Halbleitertochter ist heute der eigenständige Infineon-Konzern geworden. Infineon ist mittlerweile mit seiner Steuerungselektronik einer der wichtigsten Zulieferer der Autoindustrie

Quelle: Handelsblatt.de

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