Mittwoch, 12. Oktober 2011

Das intelligente Stromnetz spart Energiekosten

Verbraucher können von dem Netz der Zukunft profitieren, wenn sie Energie genau dann nutzen, wenn sie günstig produziert wird. Und dabei bis zu 30 Prozent sparen.
Auf der Internationalen Funkausstellung war es das Wort der Stunde: Es gibt Smart TV, smarte Tablets, aber auch smarte Waschmaschinen und smarte Geschirrspüler. Wer sich jetzt fragt, warum Weißware intelligent sein sollte, der gehört wohl zu den 59 Prozent der Deutschen, die laut einer IBM-Studie immer noch nichts mit dem Begriff „Smart Grid“ anfangen können.
Smart Grid
Foto: t-systems: Das intelligente Netz der Zukunft: So funktioniert Smart Grid
Dabei geistert der schon seit einigen Jahren durch Medien. Das „schlaue Netz“ (Smart Grid) bezeichnet das Stromnetz der Zukunft, wenn die privaten Haushalte, Industriebetriebe und Stromerzeuger so intelligent miteinander verbunden sind, dass je nach Bedarf Strom zu- und abgeschaltet werden kann.

Klingt vielversprechend, aber obwohl es Smart-Grid-fähige Geräte jetzt schon zu kaufen gibt (unter dem Label „Smart Grid ready“) – das intelligente Netz existiert (noch) nicht. Doch der Weg dahin wird derzeit geebnet.

Ein erster Schritt ist mit der Einführung der Smart Meter, intelligenter Stromzähler also, getan worden. Seit etwa drei Jahren sind diese serienmäßig auf dem Markt, Hersteller und Stromerzeuger fahren seither groß angelegte Testreihen. Eine davon ist die „T-City Friedrichhafen“, wo die Telekom inzwischen über 2000 Smart Meter installiert hat.

Neu an den schlauen Messern: Der Strombedarf kann im 15-Minuten-Takt direkt abgelesen werden. „Haushalte können so Stromfresser aufspüren“, sagt Gabriele Riedmann de Trinidad, Leiterin des Konzerngeschäftsfelds Energie bei der Deutschen Telekom. Aufgrund des Lerneffektes, so die Idee, stellen die Verbraucher dann ihr Energieverhalten um. Sparen kann damit allerdings nur, wer sich aktiv einbringt.
Bis zu zehn Prozent Ersparnis haben Hersteller und Energieversorger ihren Stromkunden versprochen, wer freiwillig aufrüstet, muss zunächst aber mitunter einige Hundert Euro investieren. 18 Monate lang haben Fraunhofer-Institute im Auftrag des Forschungsministeriums das tatsächliche Einsparpotenzial von Smart Metern untersucht – 2000 Haushalte in Deutschland und Österreich haben an dem Energieprojekt teilgenommen.

Das ernüchternde Ergebnis: Nur 3,7 Prozent Strom sparen Haushalte mit den intelligenten Boxen im Schnitt wirklich ein. „Wir haben für die Studie den Privatverbraucher ins Visier genommen und einiges gelernt“, sagt Marian Klobasa, Teilprojektleiter vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI. „Es gibt Haushalte, die mehr sparen können, aber eben auch solche, die sich nicht aktiv um ihren Stromverbrauch kümmern wollen.“

100.000 Smart Meter sind in Deutschland bereits installiert
 
Trotz des mageren Ergebnisses hält Marian Klobasa die Technologie für relevant. „Selbst wenn die großen Erwartungen durch Smart Meter nicht erfüllt werden – bei großflächiger Einführung sind auch vier Prozent Einsparpotenzial eine ganze Menge“, sagt Klobasa.

Die höchsten Sparergebnisse erzielten Kunden, die zusätzlich zum Smart Meter auch einen Zweiphasen-Stromtarif hatten: Nachts, wenn weniger Leute Strom verbrauchen, also ein Überschuss im Netz ist, kostet die Kilowattstunde im Schnitt etwa fünf Cent weniger als tagsüber.

Teilnehmer, die stromfressende Tätigkeiten wie Wäsche waschen oder Geschirr spülen gezielt auf den späten Abend verlagert haben, sparen fast zehn Prozent Strom. Aus diesem Grund werden viele Smart Meter in Kombination mit einem solchen Zweiphasentarif verkauft.

Foto: dapd/DAPD In Deutschland sind alle vor 1980 in Betrieb genommenen Atomkraftwerke vom Netz genommen worden. Das betrifft auch den Reaktor Isar 1 im bayerischen Landkreis Landshut.
Etwa 100.000 Smart Meter sind in Deutschland bereits installiert. Laut einer EU-Anordnung müssen bis 2022 alle Haushalte auf elektronische Zähler umgestellt haben. Das Problem: Noch sind die Anreize zum Austausch vonseiten der Politik nicht ausreichend.

Rein rechnerisch ist zudem fraglich, ob das Ziel überhaupt erreicht werden kann. Außerdem sind elektrische Zähler nicht gleich „smart“ – die einfachste Version ist nicht einmal auslesbar und kann damit auch nicht ans intelligente Stromnetz angeschlossen werden.

Wirklich smart dagegen sind neuartige Automatisierungslösungen. Die kleinen intelligenten Boxen steuern per Funk nicht nur (dazu fähige) Elektrogeräte an, sondern auch die Heizungsanlage im Haushalt.

Ein Beispiel: „Smart Home“ von RWE. So wie Comedian Christoph Maria Herbst in der Fernsehwerbung das tut, kann die komplette Wohnung vom Smartphone aus gesteuert werden. „Ein klassisches Beispiel: ein Paar, beide berufstätig. Zwischen acht und neun Uhr verlassen sie das Haus und kommen gegen 18 Uhr wieder. In der Zeit kann dann beispielsweise die Raumtemperatur automatisch runtergeregelt werden“, erklärt Peter Hoscheidt von RWE.

Ohne finanziellen Anreiz machen Kunden nicht mit
 
Zudem könne man zum Beispiel frühmorgens das Bad vorheizen, Bewegungsmelder an- oder abschalten oder Lichter zuschalten.

Bei „Smart Home“ geht es in erster Linie um den Komfort des Kunden, er kann ein individuelles Energieprofil nach seinem Geschmack anlegen. Und das bezahlt er auch: Fast 400 Euro kostet die Box. RWE geht davon aus, dass man mit einer Investition von 800 bis 1000 Euro etwa zehn bis 15 Prozent Energie im Jahr sparen kann.

Spannend wird es nun, wenn die beiden Komponenten, Smart Meter und Geräteautomatisierung, kombiniert werden. „Die Smart-Meter-Infrastruktur beschäftigt sich nur mit der Abrechnung von Strom, nicht mit der Steuerung von Haushaltsgeräten“, sagt Gabriele Riedmann de Trinidad von der Telekom. Das Unternehmen will das jetzt verbinden und nennt seine neue Steuerungsbox daher „Smart Connect“.

Die wird an den Router angeschlossen und steuert dann die Haushaltsgeräte über Stromkabel und W-LAN. „Dann kann der Verbraucher morgens beispielsweise den Wunsch eingeben, dass die Geschirrspülmaschine innerhalb der nächsten zehn Stunden laufen soll. Die Box übermittelt ein Signal, wann der Strompreis günstig ist, und die Spülmaschine startet dann automatisch“, erklärt Riedmann de Trinidad. So könnten Verbraucher etwa 30 Prozent sparen.

Jedoch gibt es derzeit noch keine Stromtarife, die so variabel sind. „Derzeit findet ein Paradigmenwechsel statt“, sagt Riedmann de Trinidad. Das Stromnetz aus fossilen Energieträgern ist eher starr: Braunkohle- und Atomkraftwerke erzeugen langfristig immer gleich viel Strom, sie an- und abzuschalten dauert mitunter mehrere Wochen. Tagsüber und nachts fließt die gleiche Menge Strom, daher gibt es bisher die Tag-Nacht-Tarife.

Die Energiewende ändert das jetzt. 17 Gigawatt Energie werden derzeit schon durch Fotovoltaikanlagen auf den Dächern produziert – so viel wie alle 17 Atommeiler zusammen. Sonnenstrom gibt es allerdings vor allem tagsüber – wenn die Sonne scheint. „Früher wurde so viel Strom erzeugt wie verbraucht wurde. Jetzt müssen wir lernen, den Strom so zu verbrauchen, wie erzeugt wird“, sagt Riedmann de Trinidad.
Der Verbraucher muss also dem Stromversorger quasi erlauben, seine Geräte so an- und abzuschalten, wie der Stromfluss es ermöglicht. Spätestens hier schreien Datenschützer auf. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie erarbeitet dieser Tage ein Schutzprofil, das den Datenschutz und die Datensicherheit beim Auslesen von Strom regeln soll.

Die Telekom will Smart Connect im März 2012 auf den Markt bringen, auch ohne zeitvariable Stromtarife. Der Energieversorger EnBW erprobt ein ähnliches Konzept derzeit in Baden-Württemberg. 1000 Privat- und Gewerbekunden sind mit einem intelligenten Stromzähler und einer Steuerbox ausgestattet und vernetzt worden. Sie haben einen speziellen MeRegio-Stromtarif und bekommen über ein neuartiges Display („Stromampel“) jeweils für den heutigen und morgigen Tag die Strompreisverteilung angezeigt.

Die Kunden können ihren Energieverbrauch dann danach richten oder geben explizit einzelne Geräte für eine automatisierte Steuerung frei. „Die Kunden finden das Thema zwar interessant, erwarten aber einen finanziellen Anreiz, bevor sie mitmachen“, sagt Jörn Kröpelin, EnBW-Projektleiter von MeRegio.
Derzeit werten die Projektleiter die ersten Ergebnisse und das Kundenverhalten aus, variieren Stromtarife und überlegen, wie das komplexe Thema zugänglich gemacht werden kann. „Beim Smart Grid müssen Energieerzeugung und Energieverbrauch im Einklang sein. Das heißt, dass hierfür zukünftig auch die Verbrauchsseite flexibel werden muss“, sagt Kröpelin.

Was der Verbraucher letztendlich von der Technologie hat und wie viel er damit wirklich sparen kann, ist im Moment noch nicht abschließend zu beantworten. Nur eines sei sicher, so Kröpelin: „Im Moment gibt es Smart-Grid-Produkte noch nicht. Es fehlen noch einige Rahmenbedingungen.“

Quelle: welt Online | Autor: Melanie Hofmann 

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